09.11.2024
Es ist das größte Massensterben seit 65 Millionen Jahren: Täglich verschwinden auf der Erde rund 150 Arten. Ein Viertel der Säugetierarten und jede achte Vogelgattung sind bereits bedroht. Doch weltweit stellen sich Naturschützerinnen und -schützer dem großen Sterben entgegen: Während die einen kreative Finanzierungsideen entwickeln, um mehr Lebensraum für bedrohte Arten zu sichern, züchten andere mit großer Ausdauer eine fast ausgerottete Spezies. Auf einem Bergplateau in Norwegen kämpfen Kristine Ulvund und Craig Jackson für das Überleben von Polarfüchsen. Noch im 19. Jahrhundert lebten mehr als 10.000 Tiere in den skandinavischen Bergen. Doch wegen ihres besonderen Fells – Polarfüchse vertragen Temperaturen unter minus 50 Grad Celsius – wurden sie so intensiv gejagt, dass im Jahr 2000 nur noch rund 50 Tiere gezählt wurden. Dazu kommt der Klimawandel: Weil das Eis im Frühjahr schneller schmilzt, gibt es weniger Lemminge, die Hauptnahrung der Polarfüchse. Zudem wandern immer mehr Rotfüchse nach Norden. Sie sind größer und stärker und verdrängen die weißen Artgenossen. In einer Aufzuchtstation südlich von Oppdal züchten Ulvund und Jackson im Auftrag des "Norwegian Institute for Nature Research" deshalb jedes Jahr Polarfuchswelpen, um sie später in der Wildnis auszusetzen. Seit dem Beginn des Aufzuchtprogramms im Jahr 2005 wurden dort fast 500 dieser Tiere aufgezogen und in neun verschiedenen Gebirgsregionen Norwegens wieder freigelassen. Aktuell wird die Zahl der Polarfüchse in Skandinavien auf 550 Tiere geschätzt. Bis das Ziel von 2000 frei lebenden Arktisfüchsen erreicht ist, könnte es noch einmal 25 Jahre dauern. "Wir haben so viel geschafft", sagt Kristine Ulvund. "Aber wir haben noch einen langen Weg vor uns, bevor wir sagen können, dass wir die Art wirklich gerettet haben." Im Wildtierreservat Dabchick nördlich von Johannesburg verfolgen die Deutsche Lea Henzgen und der Südafrikaner Marios Michaelides eine andere Strategie. Bis 1994 gab es dort eine Farm mit dem Schwerpunkt Rinderzucht. Seitdem wurde das Land Schritt für Schritt in ein Naturreservat umgewandelt, das mittlerweile von der deutschen "AMES Foundation" betrieben wird. Heute streifen dort wieder Giraffen, Zebras, Antilopen, Gnus, Büffel und sogar 20 Breitmaulnashörner durch die Graslandschaft. Für die Ansiedlung von Löwen oder Elefanten ist die Fläche von 1600 Hektar allerdings viel zu klein. Deshalb wollen Henzgen und Michaelides das Reservat um ein Vielfaches erweitern: "Wenn wir wirklich guten Artenschutz betreiben wollen, dann müssen wir die historischen Migrationsrouten der Tiere wiederherstellen." Für solche Pläne wird allerdings viel mehr Geld benötigt, als die "AMES Foundation" bisher über Spenden einnimmt. Deshalb arbeiten sie an einer völlig neuen Finanzierungsidee – den "Biodiversity Credits". Die Grundidee dahinter: Wer ein Naturschutzgebiet betreibt, Zerstörung von Natur verhindert oder dafür sorgt, dass sich bedrohte Tierarten wieder vermehren, soll diese Leistung in Form von Zertifikaten für Biodiversität an Firmen oder Privatpersonen verkaufen können. So entsteht ein neues Anlagemodell für den Artenschutz, in das weltweit große Hoffnungen gesetzt werden.